Mechanica Caelestium [Review]

Nach der Krise ist vor der Krise. Zwar dominiert das Thema Corona aktuell leider immer noch unseren Alltag, aber es werden irgendwann auch wieder bessere Zeiten kommen, in der die Menschheit dann aber bitte mehr als gern beweisen darf, etwas aus dieser ganzen Geschichte gelernt zu haben. Dinge wie der Klimawandel (ja, den gibt's tatsächlich auch noch) müssen künftig zwingend mit der gleichen Entschlossenheit und Solidarität angegangen werden, anstatt sie weiterhin kleinzureden oder gar zu leugnen, da es uns ansonsten wohl bald in etwa so gehen dürfte, wie den Protagonist*innen dieses Comics aus der Feder des Künstlers Merwan Chabane.

Deren Vorfahren haben es nämlich mal so komplett verkackt, weshalb sie in den 2060er Jahren, in denen diese Geschichte spielt, zu einem recht rustikalen Leben abseits der Ruinen, die von den einstigen französischen Großstädten noch übrig blieben, gezwungen sind und in ihrer neu gegründeten Gemeinschaft Pan vom Reisanbau, sowie gefährlichen Plündertouren in verseuchten Gebieten leben. Erkunden dürfen wir diese postapokalyptische Welt aus der Perspektive der toughen Außenseiterin Aster, was dann auch gleich eine der großen Stärken des Buchs ist, da hier einfach enorm viel Energie, Zeit und vor allem Liebe fürs Detail in das Worldbuilding gesteckt wurden. Erst nach knapp einem Viertel dieses großformatigen Wälzers geht die eigentliche Geschichte so richtig los, was im ersten Moment vielleicht etwas langatmig klingen mag, tatsächlich aber dafür sorgt, dass man sich perfekt in die Figuren, sowie die jeweiligen Situationen hineinversetzen kann.

Der ohnehin schon problembehaftete Endzeitalltag Pans wird dabei eines Tages komplett auf den Kopf gestellt, als plötzlich Soldaten einer anderen Gemeinschaft namens Fortuna auftauchen, die die Überlebenden vor die Wahl stellen, entweder künftig ein Viertel ihrer Reisernte an sie abzutreten oder andernfalls mit ihrem Leben zu bezahlen - die Saviors von "The Walking Dead" lassen grüßen. Doch wo deren Anführer Negan nicht wirklich zu Kompromissen bereit war, offenbart sich den Bewohnern von Pan spontan noch das obskure Schlupfloch, mit der Hilfe eines sportlichen Wettkampfs, der sogenannten Mechanica Caelestium, die sich grob als komplett überdrehte Version des Völkerballs bezeichnen lässt, wieder aus der Nummer rauszukommen. Dass das Team aus Fortuna sämtlicher Vorteile und Privilegiertheit zum Trotz schmutzig und unfair spielt, mag dabei zwar ebenso wenig überraschend kommen wie der Umstand, dass die zuvor als Outlaw und Geächtete charakterisierte Aster während der insgesamt drei Spielrunden komplett über sich hinauswächst und schließlich zum Symbol der Freiheit wird, was die Sache aber keineswegs schlechter macht. Im Gegenteil, Endzeitfans, die es auch mal ohne große WTF-Momente aushalten, kommen hier nicht nur dank der tollen Optik komplett auf ihre Kosten, und alles in allem schreit das Ganze hier förmlich auf jeder Seite danach, verfilmt zu werden. (elfo)

Seitenzahl: 208
Format: Hardcover
Preis: 32,80 €
Verlag: Schreiber & Leser
Cover-Copyright: Schreiber & Leser / Dargaud
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