Meine erste Platte: Stemmen (BEATE X OUZO) schwelgt in Erinnerungen...
Im März 1991, als „Joyride“ von Roxette veröffentlicht wurde, war ich süße 11. Das Album bekam ich Weihnachten auf MC geschenkt, wofür meine Eltern (und niemals das Christkind) damals wohl so um die 8 Mark hingeblättert hatten. Es sollte, nach all den TKKG, Benjamin Blümchen und sonstigem Kinder-Hörspielkram, meine erste richtige Musikkassette sein. Rockmusikkassette sogar. Und ich weiß auch noch sehr gut wie es sich damals angefühlt hat, als ich das 11x7x1,5cm große Päckchen mit meinem schnöden Vornamen drauf bei Oma Dorlar im Wohnzimmer unterm Weihnachtsbaum weggefischt habe, wohl ahnend was sich darin verbarg. Als wäre es echt erst gestern gewesen... Das kleine, rechteckige Faltcover war sehr bunt und in so einem Jahrmarkt-Style aufgemacht. Und im Nachhinein betrachtet sieht es ehrlich gesagt schon ziemlich Panne aus,wie die beiden Hauptprotagonisten da so ihre Ärsche aneinander reiben. Aber gut, für mich war damals einfach alles super wo nur irgendwo auch noch Roxette mit drauf stand. Obwohl ich vorab mal deutlich betonen möchte, dass ich wirklich nicht so der Typ war, der jetzt total auf Sängerin Marie Fredriksson abfuhr! Okay, die gebürtige Südschwedin hatte dummerweise eine gewisse Ähnlichkeit mit einer Tante von mir, mit der ich damals gar nicht so gut konnte. Vor allem Frisurtechnisch. Und die Unfähigkeit meiner Synapsen gedanklich eine klare Trennlinie zwischen beiden Personen zu ziehen, bzw. den unschönen Teil komplett auszublenden, verhinderten jede in Gang gesetzte Schwärmerei irgendwann von ganz alleine. So ein Fuck. Das bis heute kommerziell erfolgreichste Album der Band beginnt standesgemäß mit einem kurzen Kirmeskarussel-Ansager-Intro, in das derTiteltrack mit seinem bekannten Singalong-Refrain reinplatzt. Wenn ich diesen Refrain früher in so typischem Fünftklässler-Englisch mitgesungen habe, klang das für Außenstehende wahrscheinlich nach einer Art eingedeutschtem Karnevalshit: „Helau, you fuul, alaaf you, camon joy’ne joyraaaaai“, haha. Egal. Für wegweisende, politische Botschaften waren in den 90ern ja auch andere zuständig. Die allermeisten Texte von Roxette sind halt schlichtweg belanglos und irgendwann drehte es sich dann immer irgendwie um Liebe und so’n Scheiß. Aber „Joyride“ hat dank Gun-Maries (so ihr vollständiger Vorname) großartiger Stimme vor allem bei den softeren, sogar leicht traurigen Stücken wie „Spending my time“, dem leicht angegrungten Akustikstück „Watercolours in the rain“ und vor allem bei der fantastischen zweiten Singleauskopplung „Fading like a flower“ die besten, weil einfach schönsten Momente. Es sind ja allgemein auch eher Balladen wie „It must have been love“ (vom Pretty Woman-Soundtrack) oder „Listen to your heart“, mit denen das Duo sofort in Verbindung gebracht wird. Apropos Soundtrack: Roxettes „Almost unreal“ aus diesem supergrottenschlechten Film Super Mario Bros. ist für mich immer noch eines ihrer gelungensten und unterbewertesten Stücke. Mein absolutes Lieblingslied war allerdings schon immer „The Look“ vom „Joyride“-Vorgänger „Look Sharp!“. Das Album kam schon 1988 raus. Und davon gab es auf der „Tourism“-Scheibe, welche im Anschluß an ihre erste Welttournee 1991/92 veröffentlicht wurde, eine atemberaubende Liveversion von einem Konzert in Sydney, die mich musikalisch echt mal geprägt hat. Vor dem ersten Akkord zelebriert Per Gessle mit seiner E-Gitarre nämlich sekundenlang eine derart bombastische Rückkopplung, die das anschließende musikalische Zusammenspiel plötzlich völlig langweilig erschienen lies. Krach, geil! War quasi mein erster Punkmoment. So was wollte ich später auch unbedingt mal machen können. In den folgenden Jahren ließ ich mir dann in schöner Regelmäßigkeit auch die restlichen fünf bis dato erschienenen Alben schenken, oder kaufte sie mir selber beim Spielwarenhandel Grobbeln in Fredeburg oder bei Karstadt in Meschede. Und zwar alle auf Tape. Zuletzt tat ich dies im Frühjahr 1994, kurz vor der Klassenfahrt nach Kisbér im Nordwesten Ungarns, weil das Kaff in dem ich zur Realschule ging, dorthin eine so genannte Städtepartnerschaft hatte. „Städte“partnerschaft vor allem. Ehrlich gesagt waren die drauf enthaltenen Ohrwürmer, wie etwa das vergleichsweise fast schon punkrockige „Sleeping in my car“, „Fireworks“ mit diesem tollen Refrain, oder die wunderschöne Titeltrack-Ballade, das eigentliche Highlight der gesamten 6 Tage in dem ziemlich runtergekommenen, tristen aber doch recht herzlichen Ort. Ich hörte das brandneue Album in jeder freien Minute über meinen Walkman. Leider habe ich all meine Roxette-Kassetten irgendwann einmal meinem Cousin geschenkt. Jenem Sohnemann der Tante übrigens, die so ähnlich ausgesehen hat wie Marie Fredriksson und die ich viele Jahre später bei einem Familienfestgelage mal mit viel zu vielen Verbrüderungsschnäpsen abgefüllt habe. Meine kleine Rache für einst, wir sind also quitt. Ich glaube ich frage ihn bei Gelegenheit mal, ob er die immer noch irgendwo rum liegen hat.
Stemmen